Eine Untersuchung der Gesundheits- und Fürsorgedirektion von Neuanmeldungen bei vier Sozialdiensten kommt zu erschreckenden Ergebnissen. Von 357 Dossiers, die neu beim Sozialdienst angemeldet sind, hat nur ein Drittel individuelle Prämienverbilligungen erhalten. Die Mehrheit der Neuangemeldeten erhält keine Unterstützung durch Prämienverbilligungen und fällt damit durch die Maschen dieses der Sozialhilfe vorgelagerten Systems. Die Zahlen machen deutlich, dass der Abbau der Prämienverbilligungen in krassem Widerspruch zur Armutsprävention steht, wie sie der Grosse Rat mit den priorisierten Massnahmen zum Sozialbericht 2012 genehmigt hat. Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig der Erhalt des Sozialzieles ist, wie dies mit dem Referendum des Komitees «Bewährte Prämienverbilligungen» gefordert wird.

Gemäss bisherigem Sozialziel im Gesetz betreffend die Einführung der Bundesgesetze über die Kranken-, die Unfall- und die Militärversicherung sollen mindestens 25 Prozent der wirtschaftlich Schwächsten Anspruch auf individuelle Prämienverbilligungen haben. Im Jahr 2014 lag dieser Wert – gemäss neuesten Zahlen – bei 22,7 Prozent und damit unter dem gesetzlich festgehaltenen Sozialziel. Die Grünen hatten bereits im Jahr 2013 darauf hingewiesen, dass der massive Abbau bei den Prämienverbilligungen zu einem gesetzeswidrigen Zustand führen würde. Das Referendum und die parallele Initiative für den Erhalt der bewährten Prämienverbilligungen verlangen, dass das Sozialziel als Mindestsicherung erhalten bleibt.

Der laufende Abbau bei den individuellen Prämienverbilligungen im Kanton Bern ist verheerend. Allein im Jahr 2014 haben 42’000 Personen ihr Anrecht auf Prämienverbilligungen verloren. Der Kanton Bern hat im Vergleich mit anderen Kantonen die unrühmliche rote Laterne (vgl. Artikel „Rote Laterne für den Kanton Bern“ im Journal vom Mai 2015). Das Resultat dieser gravierenden Abbaupolitik ist offensichtlich: Betroffene Haushalte, gerade auch Familien oder ältere Einzelpersonen in wirtschaftlich einfachen Verhältnissen, kommen unter Druck und gelangen an die Grenzen ihrer ökonomischen Unabhängigkeit. Die Bezügerquote im Kanton Bern, d.h. der Anteil der Bevölkerung, der Prämienverbilligungen erhält, ist im freien Fall. Gesamtschweizerisch erhalten gegen 30 Prozent der Bevölkerung Prämienverbilligungen.

Eine Untersuchung der Gesundheits- und Fürsorgedirektion von 357 Neuanmeldungen in den letzten 12 Monaten bei einzelnen Sozialdiensten kommt zu erschreckenden Ergebnissen. Von 357 Dossiers, die sich neu beim Sozialdienst anmelden mussten, hat nur ein Drittel (124 Dossiers) Prämienverbilligungen erhalten. Die restlichen Personen haben keine Prämienverbilligungen erhalten oder es liegen keine klaren Angaben vor. Die grosse Mehrheit der Neuanmeldungen bei der Sozialhilfe fällt damit durch die Maschen dieses der Sozialhilfe vorgelagerten Systems mit Bedarfsleistungen. Die vorliegenden Zahlen anhand einzelner Sozialdienste zeigen deutlich, dass der Abbau der Prämienverbilligungen im Widerspruch zur Armutsprävention steht.

Die Grünen begrüssen eine Wirkungsanalyse der gravierendsten Abbaumassnahme vom November 2013 im Rahmen der Aufgaben- und Strukturüberprüfung und fordern eine vertiefte und auch längerfristige Analyse über die strukturellen und auch finanziellen Auswirkungen und Verlagerungen, die über Einzelbefragungen hinausgeht. Zudem fordern die Grünen mit der Interpellation „Krankenkassenprämienverbilligungen: Ordnung in den Zahlensalat bringen“ eine Klärung zu den Fakten rund um die Prämienverbilligungen. Dass dies notwendig ist, zeigen die widersprüchlichen Zahlen, die von Kantonsseite verwendet werden. So spricht der neue Bericht der Gesundheits- und Fürsorgedirektion von 34’000 Personen, die 2014 das Anrecht auf Prämienverbilligungen verloren haben, die zuständige Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion spricht im offiziellen Geschäftsbericht 2014 von 42’000 Personen.

Für weitere Auskünfte:

Natalie Imboden, Co-Präsidentin Grüne Kanton Bern, Grossrätin, 079 706 62 84