GRÜNE stellen sich gegen Verschärfungen im Sozialhilfegesetz
In der Herbstsession berät der Grosse Rat die Totalrevision des Sozialhilfegesetzes. Der Regierungsrat schlägt darin zahlreiche Verschärfungen vor, die den Druck auf Armutsbetroffene weiter erhöhen werden. Dagegen wehren sich die GRÜNEN Kanton Bern mit aller Kraft.
Mit der vom Regierungsrat vorgeschlagenen Totalrevision des Sozialhilfegesetzes will der Regierungsrat die rechtliche Grundlage für ein Sozialrevisorat schaffen, dass die Sozialdienste stärker kontrollieren und massiv sanktionieren kann. Zudem soll ein Selbstbehalt eingeführt werden, der die Gemeinden zusätzlich unter Druck setzt. Weiter soll mit der Revision eine einheitliche Fallführungssoftware eingeführt werden, für die die Datenschutzbestimmungen massiv ausgehöhlt werden. Und es drohen verschiedene Verschärfungen, die den Zugang zu Sozialhilfe weiter erschweren.
Selbstbehalt setzt falsche Anreize
Einen Selbstbehalt für die Gemeinden, wie ihn der Regierungsrat vorschlägt, lehnen die GRÜNEN ab. Das System eines Selbstbehaltes geht von der Vorstellung aus, dass die Gemeinden mit diesem «Anreiz» schneller für die Wiedereingliederung ihrer Klient*innen sorgen würden, um die Kosten zu senken. In der Fachwelt ist man sich einig, dass diese Annahme nicht zutrifft. Grossrätin Seraina Patzen teilt diese Einschätzung: «Tiefere Leistungen in der Sozialhilfe erschweren die berufliche und soziale Integration und bewirken keine raschere Ablösung von der Sozialhilfe.» Das Gleiche gilt auch für die Sozialdienste: Pilotprojekte haben gezeigt, dass mehr Ressourcen in den Sozialdiensten dazu führen, dass Klient*innen dank mehr Zeit für Beratung und Vernetzung rascher integriert werden und nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen sind. Damit würde ein Selbstbehalt genau die falschen Anreize setzen und zu kurzfristigen Kostensenkungen führen, die langfristig negative Folgen haben. Der Selbstbehalt erreicht so genau das Gegenteil, von dem, was er verspricht.
Zudem sind die von den Sozialdiensten effektiv beeinflussbaren Kosten sehr klein, womit der riesige administrative Aufwand für die Berechnung des Selbstbehalts ohnehin nicht zu rechtfertigen ist.
Existenzsicherung statt Druck
Die GRÜNEN sehen auch die vorgesehenen Anpassungen im Bereich der wirtschaftlichen Hilfe sehr kritisch: So sollen beispielsweise sanktioniert werden können, wer ein gewisses Sprachniveau nicht erreicht, die Verjährungsfristen für die Rückzahlung der bezogenen Sozialhilfe verlängert werden oder die Grundlage für die Einführung einer Bezahlkarte gelegt werden. «Anstatt immer mehr Druck auf armutsbetroffene Menschen auszuüben, sollte der Kanton die Menschen mit Bildung, Vernetzung und anständigen Sozialleistungen aus der Armutsfalle befreien» fordert Grossrätin Seraina Patzen. Denn heute gibt es zwar statistisch gesehen immer weniger Sozialhilfebezüger*innen, doch Studien zeigen, dass die Quote von Menschen, die trotz Anrecht auf den Bezug von Sozialhilfe verzichten, immer grösser wird. Ein Grund: Die rechte Politik, die seit Jahren Sozialhilfebezüger*innen stigmatisiert.
Die GRÜNEN lehnen die Totalrevision in der vorliegenden Version ab und werden sich für deutliche Verbesserungen einsetzen.