Mit der vorliegenden Revision des Sozialhilfegesetzes wird die individuelle Sozialhilfe im Kanton Bern ausgehöhlt. Bern würde damit als grosser Kanton in gewichtigen Punkten von den SKOS-Richtlinien abweichen und damit die Rechtssicherheit zwischen den Kantonen abschwächen. Die Grünen lehnen die kontinuierliche Schwächung der Sozialhilfe und die vorliegende Abbauvorlage klar ab. Statt die Ursachen von Armut zu bekämpfen, geraten Personen in Notlagen zunehmend unter Druck. Während die prioritären Massnahmen zur Armutsbekämpfung gemäss Armutsbericht mit der Revision nicht angepackt werden, wird bei der Sozialhilfe unter dem bürgerlichen Spardiktat Stück für Stück abgebaut.

Die Grünen haben die SVP-Motion „Kostenoptimierung in der Sozialhilfe“, welche eine Senkung der Sozialhilfeleistungen auf 90 Prozent der SKOS-Richtlinien (Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe) fordert, im September 2013 vehement bekämpft. Mit der Motion ist ein Leistungsabbau bei der individuellen Sozialhilfe von jährlich 22 Millionen Franken verbunden. Damit wird der verfassungsmässig garantierte Anspruch bei Notlagen „auf die für ein menschenwürdiges Leben notwendigen Mittel“ (Art. 29 Kantonsverfassung) in Frage gestellt. Eigentlich müsste die Sozialhilfe unter den Kantonen mittels eines nationalen Rahmengesetzes regelt werden. Leider geht der Kanton Bern in eine andere Richtung und weicht teilweise vom Konsens der SKOS-Richtlinien ab. Dabei geht der Kanton mit Salamitaktik vor. So wurden gewisse Massnahmen bereits umgesetzt und werden nun mit der vorliegenden Gesetzesrevision nachvollzogen. Der Kanton Bern wird zum Mitspieler beim gefährlichen und schädlichen Standortwettbewerb, der die Solidarität und den sozialen Frieden gefährdet. Es droht ein Rückfall in Zeiten, wo Armutsbetroffene zwischen Kantonen und Gemeinden umhergeschoben wurden.

In den letzten zehn Jahren sind die Kosten für den Grundbedarf kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig zeigt der Sozialbericht 2012, dass die Einkommen der einkommensschwächsten Haushalte in den letzten zehn Jahren um einen Fünftel abgenommen haben. Eine Auswertung des Bundesamtes für Statistik BFS hat jüngst überprüft, ob die Beiträge der Sozialhilfe dem täglichen Warenkorb der einkommensschwächsten zehn Prozent der Schweizer Haushalte entsprechen. Das BFS kam dabei zum Schluss, dass der Grundbedarf für Ein- und Zweipersonenhaushalte 90, bzw. 97 Franken höher wäre als die heutigen SKOS-Ansätze. Die SKOS-Ansätze müssten also erhöht werden. Der Betrag für einen Einpersonenhaushalt liegt heute bei 977 Franken. Bereits im Oktober 2013 hat der Regierungsrat entschieden, den Anfang 2014 fälligen Teuerungsausgleich auf dem Sozialhilfe-Grundbedarf nicht mehr zu gewähren. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe passt ihre Richtlinien zu den Beträgen für die Sozialhilfe alle zwei Jahre der Teuerung an. Gekoppelt hat die SKOS ihre Anpassung an den Teuerungsausgleich bei den Ergänzungsleistungen von AHV und IV, welcher vom Bundesrat per 2013 auf 0,84 Prozent festgelegt wurde. Laut der SKOS hätte der Grundbedarf für eine Einzelperson auf Anfang 2014 von 977 auf 986 Franken erhöht werden sollen, derjenige für eine vierköpfige Familie von 2090 auf 2110 Franken. Durch den neu im Gesetz verankerten Verzicht spart der Kanton Bern jährlich fünf Millionen Franken.

Mit der neuen Möglichkeit, bei Sanktionen den Grundbedarf zum Lebensunterhalt um 30 Prozent (bisher 15 Prozent) zu kürzen, wird die rote Linie beim absoluten Existenzminimum unterschritten. Dies gilt auch für die vorgesehene Kürzung des Grundbedarfs bei jungen Erwachsenen um 15 Prozent. Dies soll gänzlich ohne flankierende Massnahmen erfolgen. Das unterstützte Primat der Ausbildung kann nur gelingen, wenn die im Sozialbericht priorisierten Massnahmen wie die Förderung von Ausbildungen, die Harmonisierung von Stipendien und Sozialhilfe, die Einführung einer Beratungskette und die Begleitung Jugendlicher bis zu einer Anschlusslösung nach der Ausbildung endlich umgesetzt werden.

Geplant sind zudem Anpassungen beim gerade erst eingeführten Bonus-/Malus-System. Die Grünen haben bereits 2010 darauf hingewiesen, dass es sich hier um ein aufwändiges „Placebo“ handelt, das mehr Probleme schafft als löst. Daher fordern die Grünen damals wie heute den Verzicht auf ein Bonus-/Malus-System.

Der Kanton Bern kennt im Vergleich zu anderen Kantonen keine der Sozialhilfe vorgelagerten Ausgleichssysteme (wie z.B. Ergänzungsleistungen für Familien). Zudem hat der Kanton mit der massiven Reduktion der Prämienverbilligungen für die Krankenkassen ein vom Bund vorgesehenes System massiv geschwächt. Es droht gar, dass bisher wirtschaftlich eigenständige Personen künftig auf Sozialhilfe angewiesen sind. Gleichzeitig hat der Kanton Bern im letzten Rechnungsjahr Überschüsse von 211 Millionen Franken ausgewiesen. Vor diesem Hintergrund lehnen die Grünen den geplanten Abbau in der Sozialhilfe klar ab. Die Grünen werden sich im Rahmen der Vernehmlassung detailliert zur Vorlage äussern. Bereits heute halten die Grünen fest, dass die Armut und deren Ursachen bekämpft werden müssen – nicht die Sozialhilfebeziehenden. Ansätze zur Armutsprävention sind Ergänzungsleistungen für Familien und Alleinerziehende und die Festlegung verbindlicher existenzsichernder Löhne durch den Kanton.

Für weitere Auskünfte:

Natalie Imboden, Co-Präsidentin Grüne Kanton Bern, Grossrätin, 079 706 62 84