Teuer, unnötig, aus der Zeit gefallen

Die geplanten Umfahrungsstrassen in Aarwangen und Burgdorf kosten den Kanton 430 Millionen Franken. Das ist ein enorm hoher Betrag für einen finanziell kaum gepolsterten Kanton wie Bern. Es irritiert zusätzlich, dass der Regierungsrat zwar 430 Millionen Franken für fragwürdige Strassenprojekte ausgeben will, aber offenbar kein Geld hat, um die Schulwegsicherheit unserer Kinder, den schwächsten Verkehrsteilnehmenden, zu gewährleisten (Der Bund/BZ haben am 25.1. darüber berichtet).

„Und was erhalten wir für diese Unsummen?“ fragt Brigitte Hilty, um gleich selbst zu antworten: „Nichts Brauchbares. Es gibt für beide Projekte bessere Lösungen, die deutlich günstiger sind, schneller umgesetzt werden könnten und kein wertvolles Ackerland zerstören.“ „Der Kanton hat diese Alternativen aber nicht berücksichtigt. Ein Entscheid, den er nun dem Stimmvolk erklären muss.“

Die Berner Bevölkerung hat zum Klimaartikel in der Kantonsverfassung deutlich Ja gesagt. Darum verdient sie jetzt eine Erklärung, wieso solch klimaschädliche Projekte trotzdem geplant werden. Denn darüber besteht kein Zweifel: Der verursachte Mehrverkehr und die graue Energie der Bauwerke stehen in direktem Widerspruch zu den Klimazielen des Kantons.

Marianne Schild vermisst die klare Prioritätensetzung des Kantons bei seinen Investitionen. Im Kanton Bern stehen wesentlich mehr Investitionen auf der Liste, als wir finanzieren können. Viele Investitionen sind zwingend, das Risiko eines Sanierungsrückstaus ist gross. Bereits heute gibt es eine lange Liste an depriorisierten Projekten im Hochbau und auch in Tiefbau stehen viele Investitionen bevor, wie Tunnelsanierungen im Oberland. «Schmerzhaft daran ist, dass wir schon heute insbesondere in der Bildungsinfrastruktur auf wichtige Projekte verzichten müssen.» Die Universität bräuchte dringend neue Laborfläche (Projekt Muesmatt) und steht aufgrund der Europapolitik als akademischer Standort bereits unter Druck. «Wir sparen bei der Bildungsinfrastruktur, damit wir im wirklich grossen Stil Umfahrungsstrassen bauen können. Das ist wirtschaftlich nicht sinnvoll gedacht und gefährdet unseren Wohlstand.» Mit der Investition hören die Kosten aber nicht auf: Auf Jahrzehnte hinaus wird der Unterhalt der Umfahrungsstrassen die Erfolgsrechnung belasten und so in Konkurrenz stehen zu wichtigen Ausgaben wie zbsp. jenen im Gesundheitswesen.

Dass die Umfahrung Burgdorf ein ungenügendes Kosten-Nutzen-Verhältnis hat, wurde vom ARE bei der Beurteilung der Agglomerationsprogramme festgestellt. „Der Bundesbeitrag wurde aus politischen Gründen trotzdem gesprochen und war kein sachlicher Entscheid.“

Die Alternativen sind bekannt

Mit zeitgemässen Sanierungen der Ortsdurchfahrten liesse sich dasselbe Zeil erreichen wie mit den Umfahrungsstrassen: Die Entlastung der verkehrsgeplagten Bevölkerung in Aarwangen und Oberburg. „Es gibt viele Ortschaften im Kanton Bern, die ein gleiches oder sogar höheres Fahrtenaufkommen haben als Aarwangen“, hält Jan Remund fest. Es sei weder möglich, nötig noch sinnvoll, um jedes dieser Dörfer eine Umfahrung auf der grünen Wiese zu bauen. „Nehmen Sie die Ortsdurchfahrt Köniz: Seit der Einführung von Tempo 30 fahren täglich 18‘000 Fahrzeuge flüssiger und verursachen 1/3 weniger Unfälle, es gibt 40% weniger Verletzte. Dabei ist das Verkehrsaufkommen hier noch höher als in Aarwangen!“ Der Kanton selbst hat zu Beginn der Planung in Aarwangen festgestellt, dass eine Umfahrungsstrasse keine Vorteile bringt gegenüber einer Sanierung der Ortsdurchfahrt. Wieso sich der Kanton trotzdem für die deutlich teurere, umweltschädlichere Variante entschieden hat, muss er der Stimmbevölkerung nun gut erklären!

Dem kann Andrea Rüfenacht nur beipflichten. „Auch im Emmental gibt es bessere Alternativen. Der Tunnel unter Oberburg ist völlig überdimensioniert und unnötig. Für uns sind einzig die Massnahmen in Burgdorf unbestritten.“ Die Bahn-Unterführung sollte unabhängig von den anderen Teilen des Projekts rasch gebaut werden. „Wir haben immer gefordert, die Unterführung aus dem Projekt herauszulösen und umgehend zu realisieren. In der hoch gepriesenen Partizipation des Kantons fanden wir jedoch kein Gehör.“

Fredy Lindegger betont den Wert von fruchtbarem Ackerland für die Ernährungssicherheit, aber auch für die Biodiversität und nicht zuletzt für die Landwirt*innen. „Wildtiere leiden unter immer kleineren, zerstückelten Rückzugsgebieten. Die Umfahrungsstrasse um Aarwangen zerschneidet ein weiteres, kostbares Gebiet und bringt Licht, Lärm und Gefahren für Wildtiere mit sich“. Der ökologische Wert dieser Landschaft wurde sogar von der EU anerkannt, indem sie ihr den Schutz-Status Smaragdgebiet verliehen hat.

Eva Fuhrimann weiss, wovon sie spricht: Als direkt betroffene Bäuerin müsste auch sie Kulturland hergeben. Dagegen wehrt sie sich: „Ackerland ist nicht nur für meinen Bauernbetrieb die Lebensgrundlage, sondern auch für die Berner Bevölkerung“. Schon heute habe die Schweiz deutlich weniger Ackerland pro Kopf als alle Nachbarländer. „Der Verlust von Kulturland ist ein Trend, der unbedingt gestoppt werden muss!“ Mit ihrer Haltung ist Eva Fuhrimann bei weitem nicht allein. „Der Widerstand in Aarwangen ist gross und wächst weiter, gerade in bäuerlichen Kreisen.“ Gestern Donnerstag haben sich 70 Traktoren zu einem eindrücklichen Konvoi auf dem Areal der geplanten Umfahrung Aarwangen eingefunden. „Der Widerstand der Bauern und Bäuerinnen kann vom Kanton nicht länger kleingeredet werden!“ stellt sie klar.

Brigitte Hilty fasst zusammen: „Bei so vielen Nachtteilen ist klar, der Kanton muss nochmals über die Bücher. Wir brauchen Lösungen im Kanton Bern, die mehr Rücksicht nehmen auf die Umwelt, das Klima, die Landwirtschaft und die Kantonsfinanzen. Weil wir das erreichen wollen, sagen wir am 12. März 2x Nein zu den unausgereiften Umfahrungsstrassen.“