Biodiversität in Not: Die Teilrevision des Naturschutzgesetzes reicht nicht
Die GRÜNEN Kanton Bern unterstützen die vorgeschlagene Teilrevision des kantonalen Naturschutzgesetzes in weiten Teilen. Sie vermissen jedoch die Umsetzung grossrätlicher Aufträge und fordern zusätzliche Ressourcen für die Naturförderung. Mit einem Vorstoss im Kantonsparlament verlangen sie einen Bericht zur Lage der Biodiversität im Kanton Bern und zum Handlungsbedarf. Gefordert sind fundierte Entscheidungsgrundlagen für längst überfällige Taten!
Mit der Teilrevision des Naturschutzgesetzes, das im Wesentlichen seit 1992 unverändert geblieben ist, will der Kanton die Sicherung von Schutzgebieten an die Vorgaben des Bundes anpassen und das rechtliche Instrumentarium verbessern. In ihrer Vernehmlassung unterstützen die GRÜNEN Kanton Bern die meisten Revisionsvorschläge. Besonders positiv bewerten sie die Vorschläge zur Stärkung der Ökologischen Infrastruktur und der Naturschutz-Aufsicht – beides Anliegen, die auch auf überwiesene Vorstössen der GRÜNEN im Grossen Rat zurückgehen (u.a. von Moussia von Wattenwil, Tramelan, und Beat Kohler, Meiringen).
Für Vorbildfunktion von Kanton und Gemeinden
Ebenso deutlich unterstützen die GRÜNEN die neue Bestimmung, mit denen die Vorbildfunktion von Kanton und Gemeinden in der Naturförderung auf eigenen Grundstücken und bei eigenen Bauvorhaben verankert werden soll. Vorbehalte haben die GRÜNEN zum Vorschlag, Ausnahmebewilligungen für die Schmälerung von Naturwerten von den Regierungsstatthalterämtern zu den Gemeinden zu verschieben. Fragezeichen bringen sie zur Abschaffung der freiwilligen Naturschutz-Aufseher*innen an, weil sie nicht abgegoltenen Zusatzaufwand bei der professionellen Aufsicht befürchten.
Insgesamt unterstützen die GRÜNEN die vorgeschlagene Teilrevision im Sinne eines Minimalvorschlags. Sie vermissen in der Vorlage des Regierungsrates eine Beurteilung der materiellen Ausgangslage und des Handlungsbedarfs – dies, nachdem der Regierungsrat in den letzten Jahren im Naturschutz wiederholt gravierende Vollzugsdefizite wegen ungenügender finanzieller Ressourcen einräumen musste. Es sei «mindestens» eine «Verdopplung der Mittel» nötig, schrieb er 2018 in seiner Antwort zu einer Interpellation von Grossrat Bruno Vanoni, Zollikofen. Aus der Revisionsverlage geht nicht hervor, wie weit dieses Vollzugsdefizit mittlerweile behoben ist und eine weitere Aufstockung der personellen und finanziellen Mittel für die Naturförderung geboten wäre.
Aufträge aus dem Grossen Rat nicht aufgegriffen
Die GRÜNEN vermissen in der Revisionsvorlage auch jegliche Bezugnahme auf grossrätliche Aufträge zu verstärkter Bekämpfung von Neophyten sowie zu Verbesserungen beim Schutz und bei der Pflege von Biotopen von nationaler Bedeutung zwecks Erhaltung der Biodiversität im Kanton Bern. Ebenso ist nirgends dargelegt, ob der beschlossenen Planungserklärung des Grossen Rats zu den Regierungsrichtlinien 2023 – 2026 gebührend Folge geleistet wird. Ihr Wortlaut: «Der Kanton verstärkt seine Bemühungen, der Biodiversitäts- und Klimakrise aktiv zu begegnen (…) und ergreift Massnahmen in möglichst allen Bereichen staatlichen Handelns.»
30 Jahre Verfassungsauftrag – und was bewirkt?
Seit bald 30 Jahren verpflichtet auch die Berner Kantonsverfassung den Kanton und die Gemeinden, «die Tier- und Pflanzenwelt sowie deren Lebensräume zu schützen». Das bevorstehende Jubiläum dieses Verfassungsauftrags pro Biodiversität ist für die GRÜNE Fraktion im Grossen Rat mit ein Grund, vom Regierungsrat mit einer Fraktionsmotion eine Bestandesaufnahme zur Lage der Biodiversität und zum Handlungsbedarf zu verlangen. Leider ist dem Vorstoss die Dringlichkeit abgesprochen worden, obwohl nach der Volksabstimmung über die Biodiversitätsinitiative eine rasche Lagebeurteilung geboten wäre. Denn unabhängig vom Ausgang der eidgenössischen Volksabstimmung sind Taten auf Kantons- und Gemeindeebene dringend erforderlich.
Konkret wollen die GRÜNEN mit ihrem Fraktionsvorstoss den Regierungsrat – gleichsam zwecks Ergänzung und Weiterführung der Naturschutzgesetz-Revision – dazu bringen:
- die Lage der Biodiversität im Kanton Bern und dessen besondere Verantwortung für prioritäre Arten und prioritäre Lebensräume der Schweiz darzulegen
- den Handlungsbedarf für den Erhalt und die verstärkte Förderung der Biodiversität im Kanton, seinen Regionen und Gemeinden aufzuzeigen
- die Wirkung der bestehenden Instrumente und Massnahmen zu analysieren und gegebenenfalls zu verstärken
- die personellen und finanziellen Mittel, die zur Erfüllung der verfassungsmässigen und gesetzlichen Aufträge erforderlich sind, vollumfänglich zu beziffern und bereitzustellen.