Natalie Imboden: Gestartet bist du als Regierungsrätin gleich zu Beginn mit höheren Löhnen in der Volksschule.

Christine Häsler: Nun, ein bisschen hat es schon gedauert, bis es möglich war. Aber es war ein ganz wichtiger Erfolg. Vergleiche mit umliegenden Kantonen haben gezeigt, dass wir die Rahmenbedingungen für Lehrpersonen im Kanton Bern verbessern mussten. Dank einer Anpassung der Gehaltsklasse für die Volksschule und die Musikschulen ist die Erfüllung eines längst überfälligen Anliegens gelungen.

Natalie Imboden: Und dann gab es weitere Herausforderungen im Schulbereich.

Christine Häsler: Ja, etwa der Mangel an Lehrpersonen fordert mich seit Beginn meiner Arbeit als Bildungsdirektorin. Gründe dafür sind eine Pensionierungswelle und eine Zunahme bei den Lektionen durch die Einführung des Lehrplans 21. Wichtig ist mir, dass wir die Rahmenbedingungen wie eben das Gehalt, aber auch die Ausbildung zur Lehrerin oder zum Lehrer als wichtige und sinnstiftende Laufbahn stärken konnten. Die Studierendenzahlen haben sehr stark zugenommen. Zudem haben wir auch die Ausbildungszahlen bei den Heilpädagoginnen und die Zweisprachigkeit in der Lehrer*innenbildung stärken können.

Natalie Imboden: Deine erste grosse Gesetzesrevision betraf die Sonderschulen. Deine Bilanz?

Christine Häsler: Mit dem Ziel «Bildung unter einem Dach» kommen die Sonderschulen im Jahr 2022 zur Bildungsdirektion. Wir arbeiten dabei intensiv mit allen beteiligten Kreisen zusammen, setzen stark auf Einbezug und erreichen damit tragfähige Resultate. Die Abstimmung im Grossen Rat mit 147 Ja-Stimmen bei 3 Nein-Stimmen zeigt, dass diese Arbeit unterstützt wird.

Natalie Imboden: Kritische Stimmen gab es beim Französisch-Lehrmittel, n’est-ce pas?

Christine Häsler: Mais oui. Lehrmittel sind immer auch Motivationsmittel. Im wichtigen Fach Französisch habe ich schon vor geraumer Zeit eine Arbeitsgruppe gegründet und eine fundierte Klärung betreffend Lehrmittel in die Wege geleitet. Die Wahlfreiheit des Lehrmittels für Französisch folgt, sobald die nötigen Alternativen verfügbar und erprobt sind.

Natalie Imboden: Und wie steht es mit der MINT-Förderung?

Christine Häsler: Mit «MINT mobil» haben wir ein attraktives Projekt erarbeitet, das allen Schulen im ganzen Kanton Bern erlaubt, in die MINT-Fächer und ins Experimentieren einzutauchen. Damit wollen wir früh schon die Freude an Technik und eben an den MINT-Fächern wecken und einen Beitrag zum Fachkräftemangel leisten.

Natalie Imboden: Was sagst du zur Kritik an Sponsoring im Schulbereich?

Christine Häsler: Wichtig ist, dass Bildung absolut unabhängig ist und bleibt. Die Inhalte werden stets von Fachpersonen – in diesem Fall von der Pädagogischen Hochschule – und unter den Vorgaben des Lehrplans 21 gestaltet. Sponsoren können keinen Einfluss auf den Unterricht nehmen. Wir halten uns dabei an eine schweizweit breit abgestützte Charta. Unter Einhaltung dieser Kriterien ermöglicht ein Sponsoring aber Zusatzangebote, die sonst nicht möglich wären. Dank der Zusammenarbeit mit dem Förderfonds der Berner Kantonalbank und dem Verein Chindernetz Kanton Bern war es überhaupt erst möglich, Schullager mit Inhalten zu Nachhaltigkeit zu fördern und eine Unterstützung für Familien mit kleinem Budget zu erreichen.

Natalie Imboden: In der Corona-Pandemie waren die Schulen und deine Direktion sehr gefordert.

Christine Häsler: Ja, unsere Aufgabe war extrem herausfordernd. Alle Mitarbeitenden auf allen Bildungsstufen haben mit sehr hohem Einsatz dafür gesorgt, dass Bildung in hoher Qualität gewährleistet werden kann. Das war auch in unserer Direktion so – wir haben hart gearbeitet. Auch für die Kultur, die schwere Zeiten erlebt. Wichtig waren praxistaugliche Massnahmen und Antworten auf alle möglichen Fragestellungen. Auch hier haben wir mit breit aufgestellten Arbeitsgruppen zusammengearbeitet.

Natalie Imboden: Du setzt stark auf die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Ist das dein Erfolgsrezept?

Christine Häsler: Austausch und Zusammenarbeit sind mir wichtig. Sozialpartner, Fachkreise, Direktbetroffene sind für uns immer die wichtigsten Gesprächspartner. Ich arbeite mit vielen Austauschgremien und mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammen. Das ist eine grosse Unterstützung für unsere Arbeit.

Natalie Imboden: Warum hat der Kanton Bern als einer von ganz wenigen Kantonen Lehrpersonen prioritär zu den Impfungen zugelassen?

Christine Häsler: Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass wir nach dem Lockdown mit Fernunterricht wieder möglichst am Präsenzunterricht festhalten konnten, jedoch nicht auf Kosten der Gesundheit der Lehrpersonen. Deshalbwollten wir in den Schulen und in ihrem Umfeld für grösstmögliche Sicherheit sorgen und haben neben breitem Testen eben auch das prioritäre Impfen für Lehrpersonen ermöglicht.

Natalie Imboden: Nach der Sommerpause starten viele Lernende neu. Für die Jugendlichen waren die letzten Monate schwierig.

Christine Häsler: Wir haben bereits 2020 mit praxistauglichen Massnahmen für die Gewährleistung der Abschlüsse, Übergänge und Zeugnisse gesorgt. Trotz starken Einschränkungen haben wir mit Hilfe der BIZ [Berufsberatungs- und Informationszentren] dafür gesorgt, dass junge Menschen Lehrstellen gefunden haben. Wir sind aber auch für die Studierenden an den Hochschulen da, für die Berufslernenden und für die Ausbildungsbetriebe. Wir setzen alles daran, den jungen Menschen trotz Krise eine gute Ausbildung zu bieten. 

Natalie Imboden: Während der Pandemie stand das Kulturleben still.

Christine Häsler: Deshalb haben wir als Direktion mit riesigem Einsatz dafür gesorgt, dass Kulturinstitutionen und Kulturschaffende Ausfallentschädigungen erhalten. Wir haben Transformationsprojekte unterstützt und die Anliegen von Kulturschaffenden und Kulturbetrieben mit aller Kraft auch gegenüber dem Bund vertreten.  

Natalie Imboden: Was hat dich als Kulturdirektorin beschäftigt?

Christine Häsler: Diverse grosse Projekte wie die Stärkung des Alpinen Museums, des Freilichtmuseums Ballenberg, des Kunstmuseums wie auch das Engagement für ein künftiges Museumsquartier in Bern haben unsere letzten drei Jahre mitgeprägt. Der Archäologische Dienst, der gerade in den letzten drei Jahren mit spektakulären Funden auf sich aufmerksam machte, konnte sein 50-Jahr-Jubiläum begehen und hat dabei das Archäologie-Erlebnis zu den Menschen gebracht. Beschäftigt hat uns auch die Überarbeitung des Inventars der Denkmalpflege. Übrigens hat der Kanton Bern erstmals eine kantonale Denkmalpflegerin angestellt, und auch das Mittelschul- und Berufsbildungsamt wird künftig von einer Frau geleitet. Beides freut mich sehr, der Frauenanteil im Kaderbereich steigt.

Natalie Imboden: Wo siehst du Baustellen?

Christine Häsler: Beim grossem Infrastruktur-Rückstand, so bei den anstehenden Bauten im Fachhochschulbereich (Stichwort Campus Biel und Bern) und beim notwendigen Ausbau der Uni-Infrastruktur. Aber trotz grossem Rückstand bei den Hochschulbauten sind unsere Hochschulen sehr gut unterwegs: Uni, BFH und PH verzeichnen allesamt starke Zugänge, das TecLab in Burgdorf ist gestartet, das Zentrum für Präzisionsmedizin an der Universität ebenso. Es wird sehr viel geleistet, gerade auch in unseren Hochschulen.  

Natalie Imboden: Du kandidierst im März 2022 für eine zweite Legislatur und wirst nächstes Jahr Regierungspräsidentin. Was wirst du anpacken?

Christine Häsler: Ein Regierungspräsidium ist nicht dazu da, sich selber in Szene zu setzen, es geht um die Aufgabe. Dieser Aufgabe, die Regierung für ein Jahr zu führen und zu vertreten, will ich mich mit aller Kraft widmen. Aber auch mit der nötigen Portion Mut und Demut.

 

Interview: Natalie Imboden, Präsidentin GRÜNE Kanton Bern